Wohnungsmarkt unter geänderten Vorzeichen
Im März 2022 endete eine mehr als ein Jahrzehnt andauernde Niedrigzinsphase. Die Zinsen für Baukredite begannen zu steigen, binnen kürzester Zeit hatten sie sich mehr als verdreifacht. Der Erwerb eine Wohnimmobilie wurde damit für Normalverdiener vor allem in den Ballungsräumen nahezu unerschwinglich – und die große Frage stand im Raum: Wann und in welchem Ausmaß würde der Zinsanstieg zu sinkenden Preisen führen? Anfang 2023 hatten die Immobilienvermittler der Landesbausparkassen und Sparkassen im Rahmen der Befragung für das LBS-Frühjahrsbarometer für den weiteren Jahresverlauf einen deutlichen Rückgang der Preise für Bestandsimmobilien prognostiziert, während sie beim Neubau eher mit Stillstand rechneten.
Inzwischen ist klar: Ihre Prognosen trafen weitestgehend ins Schwarze. Laut dem aktuellen LBS-Preisspiegel für Frühjahr 2024, der auf den tatsächlichen Vermittlungen basiert, lagen die Preise für gebrauchte Einfamilienhäuser im Frühjahr 2024 um gut 11 Prozent unter dem Niveau im Frühjahr 2023 – dies war der erste Preisrückgang seit dem Jahr 2010 (Grafik). Auch die Preise für ältere Reihenhäuser (-9 Prozent) und Eigentumswohnungen (-6 Prozent) sowie für Bauland (-9 Prozent) sind im vergangenen Jahr spürbar gesunken. Neue Reihenhäuser kosteten dagegen in etwa genauso viel wie ein Jahr zuvor, neue Eigentumswohnungen waren sogar 1 Prozent teurer. Gebrauchte Immobilien haben damit inzwischen fast schon wieder das Preisniveau vom Frühjahr 2021 erreicht, während Neubauobjekte weiterhin deutlich teurer sind als vor der Zinswende im Frühjahr 2022. Grund dafür sind die hohen Baukosten.
Die sinkenden Preise von Bestandsimmobilien dagegen sind auf die geänderten Verhandlungspositionen am Immobilienmarkt zurückzuführen. Die Kaufinteressenten stehen nicht mehr Schlange, weil viele den Schuldendienst aufgrund der gestiegenen Zinsen nicht mehr stemmen können. Nicht von ungefähr haben 90 Prozent der befragten Immobilienvermittler festgestellt, dass der Verkauf einer Immobilie länger dauere, als in den vergangenen fünf Jahren üblich war. Rund 60 Prozent gaben an, dass die Verkäufer eher als Mitte 2023 bereit seien, von ihren Preisvorstellungen abzurücken und Preisabschläge zu akzeptieren.
Doch nicht nur die Verkäufer machen Abstriche. Auch die Kaufwilligen tun ihr Möglichstes, um dem Zinsanstieg etwas entgegenzusetzen und ihre Finanzierungslast zu reduzieren. Am häufigsten, so berichten drei Viertel der Immobilienvermittler, würden Handwerksleistungen in Eigenarbeit erledigt (Grafik). Knapp zwei Drittel der Vermittler haben beobachtet, dass die Bereitschaft steige, Objekte zu erwerben, die nicht genau den ursprünglichen Vorstellungen entsprechen, gut die Hälfte hat von Standortkompromissen erfahren und knapp die Hälfte von zusätzlich mobilisierten Kapitalquellen.
Die Immobilienexperten erlebten zuletzt auch, dass Nachhaltigkeitsaspekte wieder etwas in den Hintergrund getreten sind. In der aktuellen Befragung gaben nur 15 Prozent der Vermittler an, dass dieses Thema bei den Kunden eine hohe oder sogar sehr hohe Relevanz habe – vor Jahresfrist sagten dies noch 20 Prozent der Befragten. Dass Nachhaltigkeit überhaupt eine Rolle spiele, bestätigten insgesamt aber immerhin 46 Prozent der Befragten und damit kaum weniger als im vergangenen Jahr, als es 48 Prozent waren. Ins Spiel komme der Klimaschutz immer dann, wenn er helfe Kosten zu sparen, beispielsweise wenn sich die Energieeffizienz durch Dämmmaßnahmen, Photovoltaik oder eine neue Heizung verbessern lasse, so die Erklärung der Experten für die beobachtete Verschiebung der Prioritäten auf Seiten der Käufer.